Landesarbeitsgruppe
Borreliose und FSME
Baden-Württemberg e.V.
c/o Landesgesundheitsamt, Wiederholdstraße 15, 70174 Stuttgart
Merkblatt 3 Stand 12/97
Klinik, Therapie und Nachsorgeprogramm bei
frischer Borreliose-Infektion
(Erythema migrans und Borrelienlymphozytom)
Beim Stich einer borrelieninfizierten Zecke (dies sind je nach Gegend, Jahreszeit und Entwicklungsstadium 1-60%, im Mittel ca. 10% der Zecken) wird im Verlauf des Saugvorgangs der Erreger auf den Wirt übertragen. Die Saugdauer beeinflußt die Übertragungswahrscheinlichkeit, wie im Tierversuch gezeigt werden konnte(z.B. Piesman 1993. Wird die Zecke aber bei der Entfernung gequetscht, steigt das Risiko drastisch an (siehe Merkblatt Nr.1 der Landesarbeitsgruppe).
Wie bei jeder Infektion folgt auf die Übertragung des Erregers eine Latenzzeit bis zum Ausbruch von Krankheitssymptomen. Diese kann bei der Lyme-Borreliose zwischen fünf Tagen und ca. 2 Monaten betragen. In dieser Zeit vermehrt sich der Erreger in der Haut und kann sich langsam von der Stichstelle ausgehend ausbreiten. Beim Einsetzen der zellulären und humoralen Immunreaktion (Lymphozyten und Plasmazellen) wird das Erythema migrans in der Umgebung der Stichstelle sichtbar. Je nach dem Verteilungsraum der Borrelien zu diesem Zeitpunkt erscheint entweder ein Erythema migrans oder ein Borrelienlymphozytom(BL). Das BL wird besonders oft im Rahmen von Re-Infektionen beobachtet. Da hier die Immunreaktion deutlich früher einsetzt, haben sich die Borrelien räumlich noch nicht so stark verteilt und ein eher dichtes, weniger flächiges Infiltrat ist die Folge (Bildbeispiele).
Mit zunehmender Auseinandersetzung zwischen Erreger und Immunsystem werden Antikörper gebildet und nach einer gewissen Zeit im Blut nachweisbar. Erst wenn der Erreger über Blutbahn oder Lymphwege im Organismus gestreut wird, setzen auch Allgemeinsymptome wie Fieber, Schweißausbrüche oder Gliederschmerzen ein. Diese markieren den Übergang in das zweite Stadium der Erkrankung mit Generalisation des Erregers.
Daher muß man unterscheiden zwischen Frühborreliosen, die streng lokal begrenzt sind (unkompliziertes Erythema migrans und das seltenere Borrelienlymphozytom) und solchen Fällen, die bereits klinische Zeichen einer Erregerstreuung aufweisen.
Wenn die Zecke bei ihrem Stich ein Blut- oder Lymphgefäß direkt getroffen hat und der Erreger also direkt in die Blutbahn gelangt ist, kann ein Erythema migrans fehlen. Dies trifft in etwa 40-50% aller Fälle zu. Die Erkrankung beginnt dann oft mit grippeartigen Allgemeinsymptomen, die recht flüchtig sein können und deshalb übersehen oder mißdeutet werden können.
Borrelia burgdorferi ist ein Erreger, der sich sehr langsam vermehrt (Generationszeit ca. 12-36 Stunden). Daher dauert es oft sehr lange, bis das Erythema migrans sichtbar wird. Auch die Antikörperbildung kann sehr verzögert sein. In den meisten Fällen sind beim Erythema migrans noch keine Antikörper nachweisbar. Daher darf niemals die Therapieentscheidung bei mutmaßlichen Frühborreliosen vom Vorhandensein von Antikörpern abhängig gemacht werden. Die Indikation zur Therapie wird immer klinisch gestellt.
In mikrobiologischen und klinischen Studien konnte gezeigt werden, daß verschiedene Antibiotika gut gegen Borrelia burgdorferi wirksam sind. In klinischen Studien hinreichend abgesichert sind Doxycyclin, Amoxicillin, Azithromycin und Ceforoxim-Axetil. Erythromycin und übliche Oralpenicilline sind schlecht wirksam. Gyrasehemmer sind unwirksam, ebenso Aminoglykoside und die Kombination Trimethoprim/Sulfmethoxazol. Immer muß ausreichend lange (in der Regel 20 Tage!) therapiert werden.
Derzeit können folgende Empfehlungen gegeben werden:
1. bei Kindern:
Amoxicillin, 3 x täglich 15mg/kgKG ( in der Regel 3x500 mg bis 3x750mg täglich), Dauer 20 Tage
Alternativen: Azithromycin, Cefuroxim-Axetil
2. bei Erwachsenen:
Doxycyclin, 2 (bis 3) x täglich 100 mg, ebenfalls über 20 Tage
Alternativen: Azithromycin, Cefuroxim-Axetil, Amoxicillin
Im Allgemeinen kann auch bei einer beginnenden Erregergeneralisation noch mit diesen Therapieregimen gearbeitet werden (Dattwyler 1997).
3. bei Schwangeren
Amoxicillin, 3 bis 4x 750-1000 mg täglich, 20 Tage
In Fällen mit Erregergeneralisation kann wegen der Gefahr der Übertragung der Borrelien auf den Fetus auch mit Cefotaxim, 2 x 3g täglich über 14 Tage gegeben werden (ein Merkblatt der LAG zur Therapie der Borreliose in der Schwangerschaft wird vorbereitet)
Jeder Patient sollte über mögliche Symptome einer weiterbestehenden Borreliose aufgeklärt werden. Hierzu gehören in erster Linie Allgemeinsymptome wie Nachtschweiß, Abgeschlagenheit, Kopf- und Gliederschmerzen, später oft „springende“ Gelenkbeschwerden, Neuropathien und gelegentlich kardiale Symptome. Treten solche auf, ist der Arzt zu konsultieren. In allen Fällen sollte drei Monate nach Ende der Therapie eine serologische Kontrolle erfolgen. Bleibt diese negativ (es sind also keine Antikörper nachweisbar), gilt die Erkrankung als geheilt.
Sind zu diesem Zeitpunkt noch Antikörper nachweisbar, muß in weiteren dreimonatigen Abständen eine gezielte Nachsorge erfolgen, bis entschieden werden kann, ob die Erkrankung ausgeheilt ist oder eine nochmalige Therapie erfolgen muß. Im Rahmen dieser Nachsorge ist gezielt nach Symptomen einer aktiven Borreliose zu fragen (der Patient bringt oft spätere Symptome (z.B. „orthopädischer“ Art) nicht in Zusammenhang mit der Borrelieninfektion.
Serologische Kriterien einer persistierenden Infektion sind insbesondere Verbreiterungen des Bandenmusters im Westernblot (das Hinzutreten zusätzlicher Banden).
Bei Rückfragen:
Dr. Dieter Hassler
Untere Hofstatt 3
76703 Kraichtal
ausgewählte Literatur
Hassler D:
Hautbefunde bei Lyme Borreliose (mehrere Folgen)
Fortschritte der Medizin 1997-98
Steere AC:
Lyme Disease.
New Engl J Med 321 (1989) 586-596
Strle-F; Preac-Mursic-V; Cimperman-J; Ruzic-E; Maraspin-V; Jereb-M
Azithromycin versus doxycycline for treatment of erythema migrans: clinical and microbiological findings.
Infection. 1993 Mar-Apr; 21(2): 83-8
Weber K; Pfister HW.
Clinical management of Lyme borreliosis.
Lancet, (1994 Apr 23) 343 (8904) 1017-20.