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Praxis

Babesiose: die kleine Schwester der Malaria

Dieter Hassler

 

ein Auszug aus dem Buch: Brennpunkt Infektiologie, ZETT-Verlag, Steinen

Babes beschrieb 1988 eine verheerenden Viehseuche, die zuvor mehrere zehntausend Rinder getötet hatte und erkannte als erster Protozoen als Ursache. Schon 1893 publizierte Theobald Smith mit seinem Kollegen F.L. Kilmore eine grundlegende Arbeit, in der er den Erreger des Texas-Cattle-Fever, Babesia bigemina und die Rolle der Zecken bei der Übertragung der Krankheit beschrieb.

Wieder einmal vergingen fast hundert Jahre, bis die Rolle ähnlicher Erreger für menschliche Erkrankungen offenbar wurde. Zwar gab es ganz vereinzelte Berichte über solche Erreger schon in den letzten Jahrzehnten, doch so richtig aufmerksam wurde die Welt, als in der Gegend im Osten der USA, wo auch die Borreliose wiederentdeckt worden war, eine ganze Anzahl von Erkrankungen durch Babesien bekannt wurden. Vor allem Nantucket Island wurde bald als Fokus erkannt, die Übertragung durch Zecken konnte gezeigt werden. Verursacher war hier die Art Babesia microti.

 

Babesiose in Europa

Der erste Fall einer europäischen Babesiose beim Menschen wurde 1956 in Jugoslawien beobachtet. Dies war ein splenektomierter (also milz-loser) Patient, der an der fulminant verlaufenden Infektion verstarb. Auch die weiteren in Europa publizierten Fälle, bei denen jeweils Babesia divergens gefunden wurde, traten ausschließlich bei Splenektomierten auf. Dies hat zur Annahme geführt, daß ausschließlich diese Patienten gefährdet sein könnten. Andererseits zeigen die über ganz Europa sporadisch registrierten Fälle, daß der Erreger in vielen Gebieten vorkommen muß. Serologische Studien an Blutproben von Borreliose-Patienten zeigen jedenfalls in vielen Ländern eine relativ konstante Rate von 1-3% gegen Babesiose reagierender Seren, ohne daß klinisch manifeste Erkrankungen gefunden wurden.

 

Übertragung der Babesiose

Grundsätzlich wird die Babesiose primär von Zecken übertragen. Für die humanpathogenen Arten ist meist die Gattung Ixodes Überträger, Vektoren der tierpathogenen Babesien sind auch andere Zeckenarten wie Boophilus, Dermacentor und Rhipicephalus. Sekundäre Infektionen über Bluttransfusionen wurden nicht selten beobachtet und haben zu teils sehr schweren Verläufen geführt. Dies kann deshalb zum Problem werden, weil mögliche Blutspender noch lange Zeit (Monate bis Jahre!) nach der klinischen Ausheilung der akuten Erkrankung den Erreger noch im Blut haben können.

 

Klinik der Babesiose

Berichte über klinisch manifeste Erkrankungen beziehen sich in der Regel in Europa auf B. divergens, in Amerika auf B. microti. Vereinzelt wurden aber auch andere Arten (z.B. B.equi) beim Menschen gefunden, so daß zu erwarten ist, daß bei genauerer Suche auch andere Arten den Menschen infizieren können. Die Pathogenität der Arten für den Menschen ist nicht ganz klar. Während man in früheren Jahren glaubte, daß die Babesiose nur bei splenektomierten Patienten (also solchen, denen wegen eines Unfalls oder einer Krankheit die Milz entfernt worden war) ein klinisch relevantes Krankheitsbild auslösen könne, wurden vor allem in den USA in den letzten Jahren vermehrt schwere Verläufe bei zuvor gesunden Personen beobachtet. Vor allem im Gebiet von Nantucket Island wurden mehr als hundert derartige Erkrankungen registriert, wobei unklar ist, warum hier auch Gesunde erkranken, während in den meisten anderen Gebieten der USA nach wie vor die Splenektomie ein Hauptrisiko für eine klinisch manifeste Babesiose zu sein scheint.

Die Babesiose beim Menschen ist eine der Malaria nicht ganz unähnliche Infektion. Nach einer Inkubationszeit von ein bis vier Wochen entwickelt sich ein systemisches Krankheitsbild mit Abgeschlagenheit und Gewichtsverlust, dann steigt das Fieber kontinuierlich an, Schüttelfröste treten auf, gefolgt von generalisierten Muskel- und Gliederschmerzen sowie starken Kopfschmerzen. Die Milz ist oft vergrößert. Oft werden rezidivierende Schübe über Wochen beobachtet. Eine Haemoglobinurie tritt recht regelhaft auf, direkt pathognomonische Symptome existieren aber nicht.

Im Verlauf kommt es manchmal zu schwerer Blutarmut (Anämie), "Gelbsucht" und Nierenversagen. Generell scheint der Verlauf meist selbstlimitierend und günstig zu sein, einzelne schwere Verläufe haben aber zum Tod der Patienten geführt, wobei manchmal Koinfektionen mit anderen Erregern wie Borreliose diskutiert wurden. Bei 240 an Borreliose erkrankten Patienten fand man immerhin in 11 % Koinfektionen und kam zu dem Ergebnis, daß hierdurch schwerere klinische Verläufe zu finden waren.

 

Was sind Babesien?

Babesien gehören wie die Erreger der Malaria zu den Protozoen. Sie sind obligat intrazellulär in Erythrozyten lebende, ca. 4x2 Mikrometer messende, meist doppelt-birnenförmig imponierende Mikroorganismen. Babesia ist nach Babes benannt, der 1888 erstmals den Erreger bei Rindern nachgewiesen hat. Zahlreiche Arten sind inzwischen beschrieben worden, die meisten sind nur bei Tieren als pathogen bekannt. Für menschliche Erkrankungen ist in Amerika in der Regel B. microti, in Europa B. divergens verantwortlich.

 

Babesia microtiIxodes damminiMenschen, NagerUSA
B. divergensIxodes ricinusMenschenEuropa)
B. bigeminaBoophilus-ZeckenKühe (Texas cattle fever)weltweit
B. bovisBoophilus-ZeckenKüheweltweit
B. majorHaemaphysalisKüheEuropa, Nordafrika
B. equiHyalomma, RhipicephalusPferde,vereinzelt Menschenweltweit
B. caballiditoPferdeweltweit
B. trautmanniunbekanntSchweineSüdeuropa
B. ovisRhipicephalusSchafe, Steinböcke etc.Europa, Afrika
B. canisRhipicephalus, DermacentorHundeEuropa, Afrika, Amerika
B. gibsoniRhipicephalusHundeAsien
B. felisunbekanntKatzenAfrika, Asien
B. benneti Vögel 

 

Tabelle: ausgewählte Babesienarten und ihre Überträger

 

Babesiose bei Tieren

B. bigemina verursacht das bereits erwähnte "Texas-cattle-fever", eine schwer und hochfieberhaft verlaufende Erkrankung mit Anämie, Haematurie, Ikterus und Hepatosplenomegalie. Letale Verläufe sind nach früheren Berichten sehr häufig. Dem steht ein wenig entgegen, daß Sahibi (1998) bei marokkanischen Rindern Infektionsraten bis zu 40% gefunden hat, wobei sogar noch ein ähnlich hoher Prozentsatz mit B. bovis infiziert war, ohne daß es zu größeren Serien von Todesfällen kam. Warum manche Ausbrüche mit einer hohen Letalität einhergehen und andere keine meßbar erhöhten Verluste verursachen, bleibt weiter unklar.

B. ovis infiziert hauptsächlich Schafe, wurde aber auch in Mufflon- und Steinwild, zum Beispiel in den Pyrenäen gefunden. Yeruman beobachtete, daß Lämmer, die in der Winterzeit geboren wurden, meist von Larven der übertragenden Zeckenart Rhipicephalus bursa gestochen wurden. Sie entwickelten meist eine Serokonversion, erkrankten aber klinisch nur mild. Wenn die Primärinfektion durch adulte Zecken erfolgte, so war meist das Vollbild der fieberhaften Babesiose die Folge. Er vertritt nun die interessante Hypothese, daß die von einer geringen infektiösen Dosis des Erregers präimmunisierten Tiere bereits relativ geschützt in die Sommermonate gehen, und deshalb die klinisch schwerere Form selten beobachtet wird. Yeruman meint daher, daß es günstig ist, wenn die Zeckenlarven in den Monaten Oktober bis Februar die Lämmer infizieren können.

Dies könnte die oben diskutierte Diskrepanz im klinischen Verlauf bei Infektionen von Rindern aufklären helfen: In Gegenden wie Marokko, in denen die Prävalenz des Erregers und seiner Vektoren ständig so hoch ist, daß eine Immunisierung über Zeckenvorstadien regelhaft erfolgt, ist die gesamte Herde relativ geschützt. Wenn dagegen nichtimmune Rinderherden im Sommer in großen Trecks in Gegenden verbracht werden, wo der Erreger vorkommt, so ist mit regelhaft schweren Verläufen zu rechnen.

B canis infiziert vor allem Hunde und führt bei den befallenen Tieren nach hochfieberhafter Erkrankung mit Anaemie und Ikterus in vielen Fällen innerhalb weniger Tage zum Tod. Die aus Asien bekannte B gibsoni führt zwar zu protrahierteren Verläufen über einige Wochen bis Monate, aber auch diese Infektion ist letztendlich oft letal.

Babesia equi, von Laveran bereits 1901 beschrieben, ist eine für Pferde hochpathogene Art, während B. caballi für minder schwere Infektionen verantwortlich gemacht wird.

In der tierärztlichen Allgemeinpraxis sind Babesiose-Infektionen bei Katzen, die aus den Mittelmeerländern mitgebracht wurden, nicht selten. Meist wird hier nicht zu unterscheiden sein, ob B. felis oder B. divergens verantwortlich ist. Generell ist zu berücksichtigen, daß nur erfahrene Untersucher eine Artdiagnose aufgrund der Mikroskopie stellen können, da die einzelnen Arten so ähnlich sind, daß in der klinischen Praxis aus praktischen Gründen auf die genaue Differenzierung verzichtet werden muß.

Daß der Erreger auch bei klinisch bereits wieder genesenen Tieren sehr lange im Blut vorhanden sein kann, stellt ein erhebliches seuchenhygienisches Problem dar: Kühe werden weltweit vermarktet, Pferde zu internationalen Wettbewerben über Kontinente verfrachtet. So kann es sehr leicht zur Einschleppung von Babesien in zuvor unbelastete Regionen kommen. Ein paar passende Zecken zur Weiterverbreitung finden sich schließlich allenthalben.

 

Diagnostik

Die klassische Form der Diagnose kann an Hand von gefärbten Blutausstrichen erfolgen. Die Babesien sind in den befallenen Erythrozyten sichtbar (siehe Abbildung). Da die Zahl der Erreger recht hoch ist, ist die Diagnose nicht sehr schwierig. Wiederum muß darauf hingewiesen werden, daß die maschinelle Auswertung des Blutbildes hier natürlich versagen muß!

Eine Alternative ist die Anzucht im Hamster, mit der sich auch Infektionen nachweisen lassen, die wegen geringerer Erregerdichte im Nativausstrich unentdeckt geblieben wären.

Daneben wurden serologische Verfahren etabliert, die aber in Europa nur von wenigen Labors angeboten werden.

 

Therapie

Wegen der geringen Fallzahlen waren systematische Untersuchungen bisher nicht möglich. Zunächst waren unter der Vorstellung, Protozoen-wirksame Therapieregime zu finden, die bekannten Antimalariamittel versucht worden. Wegen erkennbarer Unwirksamkeit wurden diese bald wieder aufgegeben. Schließlich wurde die Kombination von Clindamycin mit Chinin etabliert, die zumindest zu einer signifikanten Reduktion der Erregerzahlen geführt hat. Neuere Untersuchungen zeigen jedoch, daß Chinin in vitro zumindest gegen B. divergens unwirksam ist, so daß man den Therapieerfolg bestenfalls dem Clindamycin zuschreiben kann. Brasseur zeigte, daß in vitro ("im Reagenzglas") als einziges Antimalariamittel das relativ neue Atovaquon wirksam ist, wodurch sich eine therapeutische Alternative abzeichnet.

In der Veterinärmedizin wird mit gutem Erfolg zur Therapie bei Rindern Imidocarb eingesetzt. Dieses Mittel ist für die Behandlung von Menschen nicht zugelassen. Als ultima ratio wurden bisweilen auch Austausch-Transfusionen versucht, die manche Autoren bei mehr als 50% infizierten Erythrozyten heute noch für indiziert halten. Wichtig erscheint der Hinweis, daß auch bei regelrechter Therapie der Erreger ohne klinische Symptome über Monate bis Jahre persistieren kann, was vor allem Konsequenzen für die Verwendung von Blutprodukten haben sollte.

Eine Impfung wird in der Veterinärmedizin erprobt, die abschließende Beurteilung ist sicherlich erst in einigen Jahren möglich.

 

andere Piroplasmen

Neben den Babesien gibt es nahe verwandte Einzeller, die ebenfalls von Zecken übertragen werden können: Erreger der Gattung Theileria. Diese Erreger sind – soweit wir wissen – zum Glück für Menschen nicht gefährlich, können aber verheerende Seuchen unter Tierbeständen auslösen. Einer der wichtigen Vertreter ist das "East- Coast- Fever", das in den Ländern der ostafrikanischen Küstenregion unter Rindern und Büffeln oft große Verluste fordert. So kam es im Jahre 1901 zum Erlöschen des halben Huftierbestandes in ganz Simbabwe (früher Rhodesien). Das ECF wird von Theileria parva verursacht, die von Rhipicephalus-appendiculatus-Zecken übertragen wird.