Landesarbeitsgruppe
Borreliose und FSME
Baden-Württemberg e.V.
c/o Landesgesundheitsamt, Wiederholdstraße 15, 70174 Stuttgart
Merkblatt 2 / Stand 12/04
Antibiotische Prophylaxe nach Zeckenstich - ja oder nein?
Nach bisherigen Schätzungen (Literatur: Magid) hat man angenommen, daß nur einmal pro 100 bis 400 Zeckenstiche eine Borrelieninfektion übertragen wird. Dabei wurde nicht unterschieden, ob die Zecken Borrelien enthalten haben oder nicht. So wurde bisher eine generelle antibiotische Prophylaxe nach Zeckenstich abgelehnt, weil man nach dieser Kalkulation bis zu 400 Patienten unnötig mit einem Antibiotikum hätte behandeln müssen, um eine einzige Infektion zu verhindern.
Nach neueren Untersuchungen des Hygiene-Instituts Heidelberg und des Landesgesundheitsamtes Stuttgart muß dieses Problem differenzierter betrachtet werden. Hier wurde untersucht, ob die Zecken überhaupt Borrelien enthalten und wie oft die Infektion übertragen wird. Beide Arbeitsgruppen haben gefunden, daß bei 25 % der Zecken, die Borrelien enthalten haben, die Infektion tatsächlich übertragen wurde (Maiwald et. al., im Druck). Dies bedeutet, daß man, wenn man den Status der Zecke (borrelienfrei/borrelienhaltig) kennt, eine postexpositionelle antibiotische Prophylaxe völlig neu kalkulieren muß.
Derzeit existieren zwei Methoden, wie man Borrelien in Zecken nachweisen kann:
1. Die direkte mikroskopische Methode, bei der im präparierten Mitteldarm der Zecke nach Borrelien gesucht wird.
Vorteil: kaum Reagenzkosten
Nachteil: zeitaufwendig, nur bei erfahrenem Untersucher aussagekräftig.
2. Die Polymerase-Kettenreaktion (PCR), bei der Bestandteile der Borrelien-DNA vervielfältigt und dann nachgewiesen werden können. Vorteil: einfache Präparation, technisch zumindest teilweise automatisierbar. Nachteil: Kosten für Reagenzien.
[Ein Merkblatt der LAG zur Technik der PCR wird derzeit vorbereitet]
Die Landesarbeitsgruppe empfiehlt daher folgendes Vorgehen:
1. Jede Zecke, die bei einem Menschen entfernt wird, sollte nach Möglichkeit auf Borrelien untersucht werden. Dies kann je nach Verfügbarkeit mit mikroskopischer Diagnose oder PCR erfolgen. Das Ergebnis sollte spätestens nach fünf Tagen vorliegen. Dies ist keine Kassenleistung, viele Labors bieten die Untersuchung aber zum von der LAG empfohlenen Pauschalpreis vom DM 40.- an.
2. Werden Borrelien in der Zecke nachgewiesen, sollte eine postexpositionelle antibiotische Prophylaxe erfolgen. Diese Prophylaxe sollte spätestens am fünften Tag nach Zeckenstich begonnen werden. Geeignete Präparate sind:
bei Erwachsenen: | Doxycyclin, 2 bis 3x100mg täglich über 10 Tage |
Azithromycin, 2x250 bis 2x500 mg über drei Tage | |
Amoxicillin, 3x 750 bis 3x1000 mg über 10 Tage | |
bei Kindern: | Amoxicillin, 3x 250 bis 3x750 mg nach Körpergew., 10 Tage |
Azithromycin, dosiert nach Körpergewicht, drei Tage | |
bei Schwangeren | Amoxicillin |
3. In seltenen Fällen kann die PCR falsch negativ sein. Wenn also trotz negativem Borrelien-Nachweis in der Zecke klinische Symptome auftreten, die auf Borreliose verdächtig sind, sollte in jedem Fall ein Arzt konsultiert werden.
4. Wenn trotz Prophylaxe Symptome einer Borrelieninfektion auftreten (nach frühestens 5 Tagen Erythema migrans an der Stichstelle oder grippeartige Allgemeinsymptome), so sollte die Therapie auf 20 Tage verlängert werden.
5. Grundsätzlich sollte drei Monate nach dieser Prophylaxe eine abschließende serologische und klinische Kontrolle erfolgen. Ist der Patient zu diesem Zeitpunkt beschwerdefrei und seronegativ, sind keine weiteren Maßnahmen erforderlich. Ist der Patient noch seropositiv, muß anhand des klinischen Befundes über die Möglichkeit einer nochmaligen Therapie entschieden werden.
Bei Rückfragen: Dr. Dieter Hassler, Untere Hofstatt 3, 76703 Kraichtal
ausgewählte Literatur
Magid D, Schwartz B, Craft J, Schwartz JS:
Prevention of Lyme disease after tick bites. A cost-effectiveness analysis.
N. Engl. J. Med. 327(8) (1992) 534-41
Maiwald, M. R. Oehme, O. March, T.N. Petney, P. Kimmig, K. Naser, H.A. Zappe D. Hassler, M. von Knebel Doeberitz
Transmission risk of Borrelia burgdorferi sensu lato from Ixodes ricisnus ticks to humans in suthwest Germany
Epidemiology and Infection (1998, im Druck)
Steere AC:
Lyme Disease.
New Engl. J. Med. 321 (1989) 586-596
Weber K, Pfister HW:
Clinical management of Lyme borreliosis.
Lancet (1994 Apr 23) 343 (8904) 1017-20.