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Praxis

Serologische und mikrobiologische Diagnostik:

Die Borrelieninfektion kann grundsätzlich in jedem Stadium serologisch diagnostiziert werden. Dabei ist allerdings zu beachten, daß insbesondere in den ersten vier bis sechs Wochen oft noch keine Antikörper nachweisbar sind. Diese humorale Immunantwort benötigt mindestens 14 Tage, bis die ersten Antikörper nachweisbar werden. Beim Erythema migrans sind daher nur 40-50% der Patienten bereits seropositiv, beim Bannwarth-Syndrom sind es je nach Verfahren etwa 60-80%. In der Spätphase sind dagegen in praktisch allen Fällen eindeutige Antikörper nachweisbar. Daher muß in Zweifelsfällen gerade bei Verdacht auf eine frühe Borreliose die Untersuchung unter Umständen im Abstand einiger Wochen wiederholt werden. Die Diagnose eines Erythema migrans darf aber niemals vom Antikörperstatus abhängig gemacht werden!

 

Aufgrund unterschiedlicher Verfahren (Enzymimmunoassay, Immunfluoreszenz HAH etc.) und fehlender Standardisierung sind allerdings Werte aus verschiedenen Labors nur bedingt vergleichbar. Zum Teil ist dies durch die Präparation der Tests aus unterschiedlich geeigneten (immunogenen) Borrelienstämmen erklärbar.

 

Aus bisher unbekannten Gründen sind auch in der Akutphase der Erkrankung oft keine IgM-Antikörper nachweisbar. Werden aber IgM-Antikörper nachgewiesen, beweisen sie in der Regel eine noch frische, aktive Erkrankung. Das Fehlen von IgM-Antikörpern schließt aber eine behandlungsbedürftige Borrelien-Infektion keineswegs aus. Gerade in der Spätphase sind in der Regel keine IgM-Antikörper mehr vorhanden, obwohl noch lebende Borrelien vorhanden sind.

 

Bei einigen Krankheiten können falsch positive Ergebnisse der Serologie durch unspezifische Kreuzreaktionen vorkommen: Akute Herpes oder Epstein-Barr-Virusinfektionen können ein falsch positives IgM vortäuschen, ANA-positive Seren können eine positive IgG-Reaktion vortäuschen. Daneben sind Kreuzreaktionen zum Beispiel durch andere Spirochätosen (z.B. Lues) möglich.

 

In allen Fällen mit positivem Suchtest sollte als Bestätigungstest der Westernblot eingesetzt werden, durch den eine Differenzierung zwischen unspezifischen Kreuzreaktionen und echten immunologischen Reaktionen gegen Borrelien möglich ist.

 

Westernblot bei Borrelien-Infektion

Die Serologie bei Infektionskrankheiten basiert auf dem Nachweis von Antikörpern. Das sind „Abwehrstoffe“, die unser Immunsystem bildet, wenn es einen Krankheitserreger erkennt. Es gibt mehrere Klassen von Antikörpern. Wichtig in der Serologie sind im allgemeinen IgM und IgG-Antikörper.

 

Die IgM-Antikörper sind „die schnelle Eingreiftruppe“, sie werden kurz nach der Infektion gebildet und sind oft nach einigen Wochen oder wenigen Monaten nicht mehr nachweisbar. Die IgG-Antikörper sind das „Langzeitgedächtnis“ des Immunsystems. Sie sind oft über Jahre nachweisbar.

 

 

 

Der zeitliche Ablauf einer Infektion ist immer ähnlich. Zunächst wird der Erreger übertragen und beginnt sich zu vermehren. In dieser Latenzzeit (=Inkubationszeit) sind weder Krankheitssymptome noch Abwehrstoffe nachweisbar.

Mit dem Einsetzen der Krankheitssymptome "bemerkt" das Immunsystem den Eindringling und Abwehrstoffe werden gebildet. Dies sind zunächst solche vom Typ "IgM". Bei der Borreliose sind die ersten Antikörper frühestens nach 14 Tagen meßbar, oft vergehen Wochen. Die meisten Patienten mit Frühsymptomen (vor allem solche mit einem Erythema migrans) haben deshalb noch keine Antikörper.

Deutlich langsamer werden dann auch IgG-Antikörper gebildet. Sie sind frühestens nach vier Wochen zu finden, bleiben aber sehr lange erhalten.

 

Zum Nachweis von Antikörpern werden sogenannte Suchtests verwendet (Enzymimmunoassay = EIA; Immunfluoreszenztest = IFT), die schnell und relativ einfach durchzuführen sind. Zunächst wird ein sogenannter Suchtest durchgeführt. Hierfür werden meist EIA-Tests verwendet.

 

Der EIA oder ELISA mißt eine Trübung oder Verfärbung im Reagenzglas. Das Ergebnis wird in Einheiten angegeben, die von Testfabrikat zu Testfabrikat variieren. Es gibt bei diesem Test Zwischenwerte wie 331 oder 334 Einheiten.

 

Der ImmunFluoreszenzTest (=IFT) wird dagegen titriert. Man fängt mit einer Anfangsverdünnung an (z.B. 1 Teil Serum und 40 Teile Wasser, also 1:40) und testet eine Farbreaktion. Ist das Ergebnis positiv, wird auf 1:80 verdünnt. Ist es wieder positiv, folgt der Test mit der Verdünnung 1:160, 1:320 und so weiter. Zwischenwerte gibt es nicht. Das Ergebnis lautet also „1:640 positiv“, wenn bei dieser Verdünnung der Test noch positiv war, bei der nächsten Verdünnungsstufe von 1:1280 aber nicht mehr.

 

Man kann dieses Vorgehen mit einem Beispiel erklären: Wenn ich in einer Tasse Kaffee die Zuckermenge abschätzen will, kann ich den Kaffee immer weiter verdünnen und ausprobieren, ob er noch süß schmeckt. Das Ergebnis wäre dann: In einer Verdünnung von 1:100 schmecke ich gerade noch etwas Süßes.

 

Manche der Suchteste, die heute noch auf dem Markt sind, neigen zu falsch-positiven Ergebnissen. Sie unterscheiden also, wenn wir bei unserem Kaffee-Modell bleiben, nicht sauber zwischen Zucker und Süßstoff. Daher hat man einen Bestätigungstest entwickelt, der dies kann: dies ist der Westernblot oder Immunoblot.

 

Dies geschieht auf einer Art Papierstreifen, so dass das Ergebnis etwa aussieht wie der Barcode, der in Supermärkten verwendet wird, um die Waren zu kennzeichnen. Die verschiedenen Streifen haben unterschiedliche Bedeutung, manche sind sehr aussagekräftig und nur bei einer Borreliose-Infektion vorhanden, andere sind wenig bedeutungsvoll.

Aus dem entstehenden Muster kann man also „zwischen Zucker und Süßstoff unterscheiden“. Dazu muss man aber auch wissen, ob es sich um eine ganz frische oder schon ältere Infektion handeln kann.

 

 

 

Bei der Interpretation serologischer Befunde sind einige Besonderheiten zu beachten. Die immunologische Auseinandersetzung zwischen Borrelien und Immunsystem führt zu einer typischen zeitlich gestaffelten Antikörperkinetik. Zuerst erkennt das Immunsystem Strukturen an der Oberfläche der Borrelien. Dazu gehören das Flagellin und die sogenannten "Outer surface proteins" (abgekürzt OSP A und OSP B). Die intrazellulär gelegenen antigenen Strukturen werden erst später im Krankheitsverlauf vom Immunsystem erkannt.

 

Aus diesem Grund erscheint im Westernblot zuerst eine 41kD-Bande, die gegen das Flagellin gerichtet ist. Es folgen das 21kD Pc-Protein und (nicht regelmäßig) die 31/34kD Osp-Banden und schließlich als letztes die 94kD-Bande, die gegen ein intrazelluläres Antigen gerichtet ist. In Frühstadien der Krankheit ist daher oft nur eine 41kD-Linie nachweisbar, im Stadium der Arthritis sollte normalerweise auch eine 94kD-Linie vorhanden sein. Zur Interpretation eines Westernblot ist es daher absolut unerläßlich, zu wissen, welches klinische Bild der Patient aufweist.

 

Generell gilt: je länger und intensiver die Auseinandersetzung zwischen Borrelien und Immunsystem war, desto ausgeprägter ist das Bandenmuster im Westernblot. Es ist deshalb nicht vorstellbar, daß ein Patient im Spätstadium der Erkrankung nur ganz wenige Banden aufweist.

 

Direktnachweis von Borrelien-antigenen im Urin mit der PCR

Ein neues, bisher allerdings noch nicht ausreichend geprüftes Verfahren weist Bestandteile der Borrelien (also nicht Antikörper!) direkt im Urin nach. Hierzu wird die Polymerase-Ketten-Reaktion (PCR) verwendet.

 

In der Frühphase der Infektion, wenn noch hohe Erregerzahlen vorhanden sind, könnte dieser Antigennachweis relativ zuverlässig sein. In der Spätphase wird der Test unter Umständen nur während der akuten Schübe positiv. Zur Zeit gibt es aber noch Probleme mit diesem Verfahren, so daß es noch nicht in der Routine eingesetzt werden kann. Bis diese Probleme ausgeräumt sind, sollte der Urintest also mit erheblicher Vorsicht interpretiert werden, da viele falsch-positive Befunde vorkommen.

 
Serologische Therapiekontrolle:

Nach (erfolgreicher) Therapie einer Borrelieninfektion klingen die Antikörper langsam ab. Dabei besitzen IFT-gemessene Titer meist eine andere zeitliche Kinetik als EIA-gemessene. Grundsätzlich hängt das davon ab, welche Proteine der Test erkennt. Erkennt er nur Flagellin, hat er eine völlig andere Abklingkurve, als wenn er OSP oder 94 KD-Protein erkennt. Man kann also nur für jeweils identisch präparierte Tests eine Kinetik angeben.

 

EIA-Tests, die einen Gesamtextrakt verwenden, klingen anders ab als Flagellin-EIAs. Mit einem Flagellin-EIA gemessene Titer bleiben über Monate bis Jahre nachweisbar, IFT-IgG-Titer klingen nach unserer Erfahrung ähnlich wie moderne EIAs um etwa eine Titerstufe in drei Monaten ab. Daher ist es unsinnig, unmittelbar nach Ende einer Therapie den Titer erneut zu messen (Dies wäre nur bei Nachweis von IgM-Antikörpern sinnvoll).

 

Der Westernblot ist als Therapiekontrolle über längere Zeiträume geeignet, da einmal vorhandene Banden nach Therapie in langen Zeiträumen (etwa 2-5 Jahre) wieder verschwinden.

 

 

Mikrobiologische Verfahren:

Die Anzucht von Borrelien aus Gewebeproben ist prinzipiell möglich, bleibt aber wegen der technischen Probleme Speziallaboratorien vorbehalten. Regelhaft gelingt die Anzucht aus dem Erythema migrans, aus ACA-Herden recht oft, aus Liquor eher selten, aber immer öfter, aus Gelenkpunktaten praktisch nie.

 

Andererseits können bei der Acrodermatitis, die einen Verlauf von Jahrzehnten haben kann, oft noch Borrelien aus Hautbiopsien angezüchtet werden. In solchen Fällen kann der direkte Erregernachweis auch als Therapiekontrolle dienen. Inzwischen gibt es praktisch in jedem Krankheitsstadium und bei jeder Manifestation Berichte über erfolgreiche Erregeranzucht. Es ist also davon auszugehen, daß die Erreger der der Borreliose chronisch persistieren können. Früher wurde oft argumentiert, die Borreliose habe eine sehr hohe spontane Heilungsquote und die nachweisbaren Antikörper seien nur Ausdruck einer früher durchgemachten Erkrankung. Heute wissen wir, daß auch in den chronischen Stadien mit zum Teil jahrelangem Verlauf noch Erreger anzüchtbar sind (wir haben bei einem Patienten mit einem disseminierten Lymphom noch nach sieben Jahren den Erreger nachweisen können; bei einem anderen Patienten überlebten kultivierbare Borrelien in der Haut sogar trotz viermaliger hochdosierter intravenöser Therapie).

 

Technische Durchführung: Entnahme einer Haut-PE nach extrem sorgfältiger Hautdesinfektion. Versand in sterilem Röhrchen ohne Zusätze (eventuell auf einem Läppchen mit steriler Kochsalzlösung) an ein Labor, welches derartige Leistungen erbringt, etwa :

Landesgesundheitsamt, Wiederholdstraße 15, 70174 Stuttgart oder andere spezialisierte Labors.

Anforderung: Borrelienanzucht aus Haut-PE (oder Liquor etc).

Achtung: dies ist keine Kassenleistung!

 

Auch aus Haut- oder anderen Gewebsproben kann prinzipiell mit PCR der Erregernachweis geführt werden. Ein negativer Befund ist aber vorsichtig zu interpretieren (die PE könnte „danebengelegen“ haben).

 

Es gibt bisher keine vernünftigen Beweise für die Induktion eines autoimmunologischen Prozesses, der ohne Erregerpersistenz in der Lage wäre, der Krankheitsprozeß zu unterhalten.

 
Der Lymphozytentransformationstest

In den letzten Jahren machte ein Verfahren Furore, welches angeblich in der Lage ist, auch bei Patienten, bei denen der übliche Labortest negativ ist, eine Borreliose zu beweisen: Der LTT. Diese Aussage ist blanker Unsinn! Der LTT erbringt sehr häufig falsch positive Ergebnisse und täuscht in diesen Fällen eine Borreliose nur vor.

 

Das Prinzip funktioniert so: Lymphozyten des Patienten werden im Reagenzglas in Kontakt mit Borrelien oder anderen Erregern gebracht, man beobachtet dann, ob diese ihren Stoffwechsel steigern. Dies wird dann als Zeichen gewertet, daß die Lymphozyten den Erreger „wiedererkennen“. Leider unterliegt dieser Test so vielen Störungen und ist überhaupt nicht hinreichend validiert, daß er in der Routine völlig ungeeignet ist. Wir haben Serien von Messungen an einem einzigen Patienten gesehen, in denen der Test mal negativ und mal positiv war und um mehrere tausend Prozent in den gemessenen Werten schwankte.

 

Man kann nur wiederholen: Seronegative Borreliosen gibt es nicht! Wenn ein Erreger einen Menschen krank macht, so entstehen die Krankheitssymptome hauptsächlich durch die Auseinandersetzung des Immunsystems mit dem Erreger. Die Abwehrzellen schicken Botenstoffe wie Interleukine aus, die ja dann für die Symptome, zum Beispiel das „Grippegefühl“ verantwortlich sind. Wenn also das Immunsystem den Erreger erkennt, bildet es auch meßbare Antikörper. Das ist bei allen Infektionskrankheiten so, warum sollte es bei der Borreliose anders sein?

 

Seronegative Borreliosen (Ausnahme im Frühstadium) sind also schlichte Fehldiagnosen!

 

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